Nachhaltigkeit bei den Kapitalanlagen

Schweizer Pensionskassen – Ein Balanceakt zwischen Rendite und Klimaschutz

In der Schweiz stehen Pensionskassen vor der komplexen Herausforderung, ihre CO2-Emissionen signifikant zu reduzieren und gleichzeitig rentable Investitionen zu tätigen, um den nationalen und internationalen Klimazielen gerecht zu werden. Der Begriff «doppelte Wesentlichkeit» spielt dabei eine zentrale Rolle. Er verweist auf die Notwendigkeit für Vorsorgeverantwortliche, sowohl finanzielle als auch ökologische Faktoren gleichzeitig zu berücksichtigen. Dies erfordert eine genaue Balance, um sowohl ökologische als auch finanzielle Ziele zu erreichen.

Das Pariser Abkommen und die «Langfristige Klimastrategie der Schweiz» setzen das ambitionierte Ziel, bis 2050 netto keine Treibhausgase mehr zu emittieren. Dieser Druck lastet besonders auf dem Immobiliensektor, in den Pensionskassen traditionell stark investieren.

Historisches Urteil mit weitreichenden Folgen
Anfang April 2024 wurde ein historisches Urteil vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gefällt: Die Schweiz macht zu wenig beim Klimaschutz und verletzt deshalb Menschenrechte von älteren Frauen, den Klimaseniorinnen. Haben die Klimaseniorinnen recht, und ist das Urteil gegen die Schweiz vertretbar? Darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Das EGMR-Urteil wird weltweite Konsequenzen haben. Auch wenn das Urteil vorerst nur die Schweiz betrifft, werden nun auch andere Länder sicherstellen müssen, dass sie ihre Klimaschutzmassnahmen verschärfen und einhalten, um nicht gegen die Menschenrechte zu verstossen. Barack Obama unterstrich bereits im Jahr 2015 die Dringlichkeit, den Klimaschutz anzugehen: «We are the first generation to feel the impact of climate change and the last generation that can do something about it.»

Trotz der klaren Ziele zeigt sich, dass aktuell nur ein Viertel des Schweizer Vorsorgekapitals auf einem Pfad ist, die Klimaziele zu erreichen. Der Hauptgrund hierfür liegt in den hohen Initialkosten für nachhaltige Bau- und Sanierungsmassnahmen sowie in der Notwendigkeit, die kurz- bis mittelfristigen Rentabilitätsziele zu erfüllen. Dies führt oft zu einem Dilemma, in dem Finanzverantwortliche zwischen sofortiger finanzieller Rendite und langfristigen Nachhaltigkeitszielen abwägen und entscheiden müssen. Die Investitionen in energieeffiziente und umweltfreundliche Gebäude versprechen jedoch nicht nur eine Reduktion der CO2-Emissionen, sondern können auch finanzielle Vorteile mit sich bringen. Dazu gehören niedrigere Betriebskosten, höhere Mieteinnahmen durch attraktivere Immobilien und eine gesteigerte Immobilienwertsteigerung. Diese Aspekte bieten einen Anreiz, Nachhaltigkeitsstrategien stärker in die Anlagepolitik zu integrieren.

Wachsender Druck auf Pensionskassen
Der gesellschaftliche und politische Druck auf Pensionskassen, ihre Anlagestrategien nachhaltiger zu gestalten, wächst stetig. Die Öffentlichkeit fordert zunehmend Transparenz und Verantwortung in Bezug auf ökologische Auswirkungen der Anlageentscheidungen. Dies führt dazu, dass Pensionskassen nicht nur aus ethischer Verpflichtung, sondern auch zur Wahrung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und ihres öffentlichen Images nachhaltige Investitionen tätigen. Ein weiteres Argument für nachhaltige Investitionen ist das Risikomanagement. Immobilien, die hohen Energieverbrauch und entsprechende Emissionen aufweisen, werden zukünftig stets unattraktiver zu vermarkten sein. Die regulatorischen Anforderungen werden weiterhin steigen und der Markt für umweltfreundlichere Alternativen wachsen. Die Abwertung nicht nachhaltiger Immobilien wird die Folge sein und könnte auch die Rendite von nicht daran interessierten Pensionskassen negativ beeinflussen.

Abschliessend lässt sich sagen, dass die Schweizer Pensionskassen auf einem guten Weg sind, wenn sie weiterhin in nachhaltige Technologien sowie Praktiken investieren, um ihre finanziellen und ökologischen Ziele zu erreichen. Die Herausforderung bleibt, die Balance zwischen sofortiger Rentabilität und langfristiger Nachhaltigkeit zu finden. Einzig eine vorausschauende und verantwortungsbewusste Anlagestrategie kann sowohl die finanziellen Verpflichtungen erfüllen als auch dem Klimaschutz gerecht werden.

Direkte vs. indirekte Immobilienanlagen
Pensionskassen investieren in direkte und indirekte Immobilienanlagen und beeinflussen damit die Nachhaltigkeit im Immobiliensektor. Bei direkten Anlagen haben sie die Möglichkeit, Immobilien selbst zu verwalten, was den direkten Einfluss auf ökologische Standards und soziale Aspekte ermöglicht. Sie können aktiv in Energieeffizienz und erneuerbare Energien investieren. Indirekte Anlagen erfolgen über Fonds, was oft zu Transparenzmängeln führt, besonders bei der Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien. Die fehlende Standardisierung erschwert die Bewertung der Nachhaltigkeitsleistung, und die höheren Kosten nachhaltiger Bauweisen sind in dieser Anlageform schwerer zu rechtfertigen. Zudem ist die Auswahl an nachhaltigen Projekten begrenzt, was die Investitionsmöglichkeiten einschränkt.

Abendrot als Vorreiterin in der nachhaltigen Immobilienentwicklung
In der Landschaft der teilautonomen Kassen ist keine klare Vorliebe für direkte oder indirekte Immobilienanlagen erkennbar. Je nach Grösse und Anlagestrategie bevorzugen einige Kassen ausschliesslich direkte, andere indirekte oder eine Kombination aus beiden Anlageformen. Abendrot sticht dabei als bemerkenswertes Beispiel hervor, da sie ausschliesslich direkt in Immobilien investiert. Als Pionierin auf dem Gebiet der nachhaltigen Immobilienentwicklung verpflichtet sich Abendrot strengsten ökologischen, sozialen und ethischen Standards. Das Unternehmen kümmert sich um die gesamte Entwicklungskette von Immobilienprojekten – von der Planung bis zur Verwaltung – um sicherzustellen, dass alle Nachhaltigkeitskriterien durchgängig erfüllt werden. Besonders liegt Abendrot die Umnutzung bestehender Liegenschaften am Herzen, ebenso wie die Entwicklung nachhaltiger Neubauprojekte, bei denen stets die Bedürfnisse und die Einbindung der lokalen Gemeinschaft im Vordergrund stehen. Ein erfahrenes Team entwickelt und leitet die Immobilienprojekte und fördert durch regelmässige Architekturstudienaufträge und strategisch durchdachten Städtebau die Lebensqualität und Nachhaltigkeit der entwickelten Projekte.

Die Krux der doppelten Wesentlichkeit
Das Dilemma der doppelten Wesentlichkeit in ESG-Investitionen spiegelt die gegenläufigen Erwartungen und Anforderungen wider, denen sich Anleger und Asset Manager gegenüberstehen. ESG-Ratings messen die finanziellen Risiken von Unternehmen aufgrund von Umwelteinflüssen, versäumen es jedoch oft, den Einfluss von Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft zu bewerten. Dies führt insbesondere bei Anlegern, deren Erwartungen über das reine finanzielle Kalkül hinausgehen und die vielmehr eine positive Wirkung auf die Umwelt anstreben, zu Verwirrung und Kontroversen. Auf der einen Seite sollen nachhaltige Anlagen die Risiken erfassen, denen Unternehmen aufgrund von Umwelteinflüssen ausgesetzt sind. Damit erhebt ESG den Anspruch, ein finanziell besseres Chancen-Risiko-Profil zu erreichen als eine konventionelle Anlage. Auf der anderen Seite erwarten viele Anleger von nachhaltigen Anlagen aber ebenso eine positive Wirkung auf die Umwelt sowie die Gesellschaft. Sie gehen davon aus, mit ihrem Geld etwas Gutes zu tun, wenn sie in ein nachhaltiges Anlageprodukt investieren.

Aussagekraft von ESG-Ratings
Die aktuelle Entwicklung und die rechtlichen Auseinandersetzungen (Stichwort Greenwashing) weisen darauf hin, dass klare Regulierungen und Definition der Messwerte für ESG-Ratings notwendig sind. Die Europäische Union hat bereits erste Schritte unternommen, die ESG-Ratingagenturen stärker zu regulieren und Transparenz bezüglich der Methoden zu fordern. Die Anbieter von ESG-Ratings werden in Europa künftig einer Bewilligungspflicht unterliegen und müssen Transparenzanforderungen bezüglich ihrer Methoden erfüllen. Dazu zählt, explizit aufzuführen, «auf welche Dimension der doppelten Wesentlichkeit sich das Rating bezieht, ob es sich sowohl um ein wesentliches finanzielles Risiko für das bewertete Unternehmen als auch um die wesentlichen Auswirkungen des bewerteten Unternehmens auf die Umwelt und die Gesellschaft im Allgemeinen handelt oder ob nur eines davon berücksichtigt wird.» Das Dilemma der doppelten Wesentlichkeit erfordert von Anlegern und Asset Managern eine sorgfältige Abwägung zwischen finanzieller Performance und der Erzielung positiver Umwelteffekte. Es bleibt abzuwarten, wie die Branche auf diese Herausforderungen reagiert und ob eine klare und einheitliche Richtung in der Bewertung und im Umgang mit ESG-Investitionen gefunden wird.

Wirkung erzielen
Wer mit seinem Geld einen positiven Einfluss auf die Umwelt oder die Gesellschaft erreichen will, muss daher nach wirkungsorientierten Strategien Ausschau halten, beispielsweise Impact Investing oder Engagement. Letzteres bezeichnet die aktive Einflussnahme der Aktionäre beziehungsweise von Fondsmanagern, zum Beispiel mit dem Ziel, das Management davon zu überzeugen, gesellschaftliche Aspekte wie Gleichstellung stärker zu berücksichtigen oder sich Klimaziele zu setzen. Bislang steht Anlegern und Anlegerinnen damit kein einfacher Orientierungsrahmen für nachhaltiges Investieren zur Verfügung – und es ist auch nicht absehbar, wie diesbezüglich Klarheit entstehen soll. Wichtig ist, sich mit Blick auf die doppelte Wesentlichkeit von nachhaltigen Anlagen selbst im Klaren darüber zu werden, ob das Gewicht auf der finanziellen Performance, der positiven Wirkung oder auf beidem liegen soll.