Kennzahlen - PK-Beurteilung

Ein guter Deckungsgrad ist nur die halbe Miete


Grosse Unternehmen haben oft eine firmeneigene Pensionskasse. KMU schliessen sich für die berufliche Vorsorge einer Gemeinschafts- oder Sammelstiftung an. Für den Entscheid, bei welcher Pensionskasse das Personal versichert wird, gilt es verschiedene Faktoren zu beachten. Auf Basis der Kennzahlen können genauere Einschätzungen über den Gesundheitszustand der Pensionskassen gemacht werden.

Unternehmen sind bei der Auswahl der Pensionskasse gut beraten, wenn sie sich nicht nur von verlockenden Prämienangeboten blenden lassen. In ein verlässliches Gesamtbild zur finanziellen Lage einer Pensionskasse fliessen mehrere Faktoren ein. Bei finanzieller Schieflage der Pensionskasse können teure Sanierungsmassnahmen die Folge sein.

Eine bekannte Kennzahl in der beruflichen Vorsorge ist der Deckungsgrad. Er informiert, in welchem Verhältnis die Verpflichtungen einer Pensionskasse mit Vermögenswerten gedeckt sind. Die Verpflichtungen bestehen aus den Vorsorgegeldern der Aktivversicherten sowie den notwendigen Kapitalien für die Rentenversprechen. Die andere Bilanzseite weist die Vermögenswerte aus, die hauptsächlich aus Wertpapieren wie Aktien, Obligationen, Immobilien und weiteren Vermögensanlagen bestehen. Die investierten Vermögenswerte unterliegen Marktschwankungen. Diesen in schlechteren Börsenzeiten standzuhalten, verlangt die Bildung von genügend Reserven in guten Börsenjahren. In den vergangenen Jahren konnten die Pensionskassen ihre Wertschwankungsreserven und demzufolge die Deckungsgrade erhöhen. Per Ende 2023 zeigt sich bei den aufgelisteten Gemeinschafts- und Sammelstiftungen nur noch Baloise Perspectiva mit einem Deckungsgrad von 98,2 Prozent in einer Unterdeckung. Die höchsten Deckungsgrade weisen Asga mit 113,7 Prozent sowie Ascaro mit 113,5 Prozent aus. Solide Wertschwankungsreserven haben sich in der Vergangenheit oft ausbezahlt. Hauptsächlich bei Pensionskassen, die eine hohe Aktienquote ausweisen, kann bei einer Börsenkorrektur der Deckungsgrad rasch um mehrere Prozentpunkte fallen. Der Einfluss der Börsen auf den Deckungsgrad ist immens und relativiert die langfristig finanzielle Lage der Kasse.

Sammelstiftungen mit unterschiedlichen Deckungsgraden erstellen für die angeschlossenen Firmen individuelle Jahresabschlüsse. Die Deckungsgrade der einzelnen Firmen unterscheiden sich aufgrund der vorhandenen Reserven und den individuell gewählten Anlagestrategien stark. Gemini ist einer der Anbieter eines solchen Pensionskassenmodells. Zu den Vorteilen seiner Lösung sagt er: «Die Vorteile dieser Lösung mit eigener Bilanz und Betriebsrechnung und somit eigenem Deckungsgrad liegen vor allem in der Transparenz und der umfangreichen Mitbestimmung durch den angeschlossenen Betrieb.»

Deckungsgrad ≠ Deckungsgrad
Pensionskassen haben bei der Berechnung ihrer Verpflichtungen auf der Passivseite der Bilanz Spielraum. Bei den Aktivversicherten entsprechen die Verpflichtungen den Freizügigkeitsleistungen und sind folglich auch von allen Pensionskassen identisch bilanziert. Augenmerk gilt den technischen Grundlagen für die Berechnung der Rentnerverpflichtungen. Die Pensionskassen stützen sich für die Berechnung der möglichen Lebenserwartung auf anerkannte Sterbetafeln (Generationen- oder Periodentafeln) und können für die Dauer der zukünftigen Rentenphasen eine Renditeannahme einkalkulieren. Die Höhe der Renditeannahme bestimmt den sogenannten technischen Zins. Je tiefer dieser festgelegt ist, umso vorsichtiger kalkuliert eine Kasse und muss folglich zum Bilanzstichtag ein höheres Deckungskapital ausweisen. Nach einer gängigen Faustregel sinkt der Deckungsgrad um bis zu 5 Prozentpunkte, wenn der technische Zinssatz um 0,5 Prozentpunkte reduziert wird. Gemäss Informationen der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) umfassten die Rentner-Vorsorgekapitalien per Ende 2023 rund 40 Prozent des notwendigen Vorsorgekapitals. Reduziert eine Pensionskasse mit einem Rentneranteil von 40 Prozent den technischen Zinssatz um 0.5 Prozentpunkte, sinkt der Deckungsgrad um 2 Prozentpunkte. In den vergangenen Jahren haben die Pensionskassen ihre technischen Zinssätze reduziert, seit Ende 2022 haben ihn viele Kassen wieder leicht angehoben. Einen dynamischeren Weg hat Noventus eingeschlagen. Christoph Eck, Geschäftsführer von Noventus, erklärt dazu: «Noventus koppelt den technischen Zins an den Marktzins. Dadurch ist unser Deckungsgrad nicht nur aussagekräftiger, sondern auch stabiler. Verluste und Gewinne auf der Aktivseite als Folge einer Zinsänderung werden durch ähnlich grosse Bewegungen auf der Passivseite abgefedert.»

Die Pensionskassen definieren auf der Basis ihrer Anlagestrategie einen Zielwert der Wertschwankungsreserven. Sind die Ziel-Wertschwankungsreserven erreicht, können sämtliche Anlageerträge direkt an die Versicherten ausgeschüttet werden. Sind die Wertschwankungsreserven nicht vollständig gebildet, besteht ein Reservedefizit.

Struktur der Kasse ist entscheidend
Als Grössenkennzahl ist die Anzahl der angeschlossenen Firmen und deren Versicherten interessant. Wird die Menge der Aktivversicherten durch die Menge der angeschlossenen Firmen dividiert, ergibt sich ein Mittelwert der durchschnittlichen Betriebsgrösse aller angeschlossenen Firmen. Gemini hat mit durchschnittlich 107 Mitarbeitenden pro Firma den höchsten Wert. Das Gemini-Modell mit individuellen Deckungsgraden und unterschiedlichen Anlagepools bietet sich vor allem grösseren Betrieben an.

Für die Beurteilung der Struktur einer Pensionskasse ist insbesondere die Höhe des Rentneranteils massgebend. Damit die Rentenversprechen stetig solide ausfinanziert sind, ist das bereitgestellte Rentnerkapital jährlich mit dem technischen Zins zu erhöhen. Weist eine Kasse einen hohen Rentneranteil und technischen Zins aus, bleibt für die Aktivversicherten meist wenig vom erzielten Anlageertrag übrig. Fällt eine Pensionskasse in eine Unterdeckung, dürfen die bereits garantierten Rentenzahlungen nicht gekürzt werden. Für die Sanierung werden die Aktivversicherten und ihre Arbeitgeber geradestehen. Die Grösse des Rentneranteils liegt dem zugrunde, wie der Handlungsspielraum der Kasse bei einer Unterdeckung ist. Einstellige und damit sehr tiefe Rentneranteile bestehen bei Avanea und den jungen Stiftungen der Lebensversicherer Pax DuoStar, Helvetia BVG Invest, Baloise Perspectiva und AXA Professional Invest.

Kosten der Verwaltung
Die Pensionskassen befinden sich in einem grossen Spannungsfeld zwischen steigenden regulatorischen Anforderungen und zunehmenden Kundenbedürfnissen. In diesem stetig anspruchsvolleren Umfeld sind die Pensionskassen gefordert, gleichzeitig die Verwaltungskosten tief zu halten. Diese Kosten müssen durch die Prämieneinnahmen und die erzielten Vermögenserträge finanziert werden. Reichen diese beiden Einnahmequellen nicht aus, um den gesamten Verwaltungsapparat zu finanzieren, werden die Reserven der Kasse angezehrt.

Die Verwaltungskosten der Pensionskassen sorgen oft für Aufsehen. Oft wird kritisiert, dass die Kostenaufwände zu hoch sind und so demzufolge die Renten der Versicherten schmälern. Ein Vergleich zu den Verwaltungskosten der AHV macht wenig Sinn. In der beruflichen Vorsorge fallen wesentlich umfangreichere Arbeiten an als in der ersten Säule. Zur Beurteilung der Effizienz einer Kasse kann die Summe aller Verwaltungsaufwände durch die Anzahl sämtlicher im Jahr 2023 versicherten Personen dividiert werden. Das Resultat: durchschnittliche Verwaltungskosten pro Kopf. Nebst allgemeinen Verwaltungskosten, Marketing- und Vertriebskosten wurden auch die Verwaltungskostenanteile aus den Rückversicherungsverträgen addiert. Die mit Abstand tiefsten Durchschnittskosten weist Spida mit 83 Franken aus. Sie ist gleichzeitig als Ausgleichskasse tätig und kann Synergien bei den Verwaltungstätigkeiten nutzen. Ein Vergleich zu den Pensionskassen der Lebensversicherer, die von den Tätigkeiten ihres Versicherungskonzerns profitieren, hinkt. Auf eine Gegenüberstellung zu den Gemeinschafts- und Sammelstiftungen wurde deshalb verzichtet.

Auf Basis der Kennzahlen können genauere Einschätzungen über den aktuellen Gesundheitszustand einer Kasse gemacht werden. Wie sich die einzelnen Pensionskassen in Zukunft entwickeln, hängt von mehreren Faktoren ab und kann sich in unterschiedliche Richtungen bewegen. Für Firmen ist es daher ratsam, die berufliche Vorsorge regelmässig zu überprüfen.