Altersleistungen und Deckungsgrad
„4 Prozent Zins auf dem Altersguthaben und ein Umwandlungssatz von 7.2 Prozent für die Berechnung der Altersrenten“: auf solchen vielversprechenden Faktoren wurde die berufliche Vorsorge im Jahr 1985 gestartet. Seither hat sich das Umfeld für die Pensionskassen stark verändert. Rentenbezüger werden immer älter, wodurch das während der Erwerbszeit angesparte Altersguthaben nicht mehr ausreicht, um die Rentenleistungen lebenslang zu finanzieren. Überfällige Reformen für eine weiterhin stabile berufliche Vorsorge ziehen sich aus politischen Gründen in die Länge und gefährden damit das System des Kapitaldeckungsverfahrens in der beruflichen Vorsorge. Auch die Anlageerträge sind nicht mehr so beachtlich wie einst in den Neunzigerjahren. Seit jüngster Zeit können sogar die vermeintlich sicheren Anlagekategorien ihrem früheren Ruf als stabiler Ertragsbringer nicht mehr gerecht werden. Die Pensionskassen können deshalb die erforderlichen Erträge derzeit nur mit zusätzlichen Anlagerisiken erwirtschaften. Diese besorgniserregenden Umstände werden für die Versicherten erst mit starker Verzögerung spürbar. Deutlich zeigt sich dies an den Verzinsungen, die von den Pensionskassen im letzten Jahr gewährt wurden.
Eine Untersuchung des Beratungsunternehmens Weibel Hess & Partner AG zeigt, dass bei fast allen Pensionskassen im Jahr 2014 dank den positiven Anlageergebnissen weitere Reserven gebildet wurden. Vielerorts konnten die Versicherten auch von höheren Zinszahlungen profitieren. So hat die ASGA im Jahr 2014 die Altersguthaben am höchsten verzinst. Stolze vier Prozent wurden den Versicherten ausbezahlt. Die durchschnittliche Verzinsung bei den teilautonomen Gemeinschafts- und Sammelstiftungen lag im 2014 bei etwas mehr als 2.5 Prozent. Den Award für die höchste Verzinsung über die letzten zehn Jahre gewinnt Profond. Ihre Versicherten haben durchschnittlich von 3.23 Prozent Zinszahlungen profitiert. Am wenigsten Zinsen erhielten die Versicherten von PK pro und Spida mit jeweils knapp 2 Prozent. Die Versicherten von Profond werden sich im Alter wesentlich mehr leisten können als jene von vielen anderen Pensionskassen. Bei einem Prozent mehr Zins pro Jahr wächst das Altersguthaben über ein Arbeitsleben von vierzig Jahren bei einem versicherten Lohn von 80'000 Franken um insgesamt 120'000 Franken höher an. Die lebenslange Altersrente steigt so um über 7'200 Franken pro Jahr.
Auch die Vollversicherungen haben im 2014 mehr als nur den gesetzlichen Mindestzinssatz von 1.75 Prozent an ihre Versicherten ausbezahlt. Jedoch blieben die Verzinsungen durchgehend knapp unter zwei Prozent. Über die letzten zehn Jahre gewährten die Allianz Suisse und die Swiss Life mit durchschnittlich 2.36 Prozent genau die gleiche Verzinsung. Wie lange die Garanten der Vollversicherung beim derzeitigen (Negativ-) Zinsumfeld Anlageüberschüsse auszahlen können, wird sich erst in Zukunft zeigen. Ihre Anlagestrategien haben einen sehr hohen Obligationenanteil und sind deshalb auf Zinszahlungen angewiesen, um die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllen zu können.
Ziehen sich die Gesetzesreformen in der beruflichen Vorsorge weiter in die Länge, müssen die Pensionskassen neue Wege suchen, um den Bedürfnissen der Versicherten innerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten gerecht zu werden. Einen innovativen Weg hat beispielsweise die Vita Sammelstiftung eingeschlagen. Per Ende 2014 betrug ihr Deckungsgrad 111.2 Prozent. Vita hat mit Reserven, die den Zieldeckungsgrad von 6% übersteigen, sogenannte Zinsreserven gebildet. Mit diesen kann Vita ihren Versicherten auch in den Folgejahren höhere Zinszahlungen finanzieren. Damit ist die Basis für eine ausgeglichene Verzinsung der Altersguthaben gelegt.
Nebst der Verzinsung der Altersguthaben während der Erwerbszeit ist auch der Umwandlungssatz im Zeitpunkt der Pensionierung bedeutungsvoll für die Höhe der Altersrenten. Doch wie wird ein Umwandlungssatz festgelegt? Zwei Parameter sind dafür heranzuziehen: die durchschnittliche Lebenserwartung sowie die erwartete Rendite auf dem Kapital. Für die Vorausberechnung der durchschnittlichen Lebenserwartung vertrauen die Pensionskassen auf anerkannte Sterbetafeln, die regelmässig an den neuesten Stand angepasst werden. Die erwartete Rendite wird durch den technischen Zinssatz dargelegt. Mit diesem müssen die Deckungskapitalien der Rentenbezüger jährlich verzinst werden, damit die Rechnung der Pensionskassen aufgeht. Fehlen Erträge für die Finanzierung des technischen Zinssatzes auf den Rentendeckungskapitalien, gehen die Fehlbeträge zu Lasten der Reserven und es erfolgt dadurch eine Quersubventionierung zu Lasten der Aktivversicherten. Bei einigen Kassen schossen diese Umverteilungen in den letzten Jahren regelrecht in die Höhe. Alleine die AXA gibt für das Jahr 2014 Umverteilungen von den aktiven Versicherten zu den Rentnern in der Höhe von satten 520 Millionen Franken an.
Für diese Umverteilungen ist hauptsächlich der gesetzliche Mindestumwandlungssatz verantwortlich. Er ist gesetzlich geregelt und beträgt nach wie vor 6.8 Prozent. Damit wird ein Altersguthaben von 100'000 Franken in eine lebenslange Altersrente von 6'800 Franken umgewandelt. Dieser Umwandlungssatz gilt jedoch nur auf obligatorischem Altersguthaben. Versichert eine Pensionskasse höhere Leistungen als die gesetzlichen Minimalvorgaben, entsteht ein überobligatorisches Altersguthaben. Auf diesen Guthaben können die Pensionskassen die Höhe der Umwandlungssätze frei bestimmen. Während sich bei den Vollversicherungen jahrelang ein Umwandlungssatz von 5.835 Prozent behauptet hatte, beginnt nun der Aderlass und die Werte gehen schrittweise in Richtung 5 Prozent. Aufgrund der Übergangsfristen gelten für die nächsten Jahre noch Werte von rund 5.5 Prozent.
Bei den teilautonomen Gemeinschafts- und Sammelstiftungen gewährt die Profond derzeit noch 7 Prozent. Obwohl auch sie den Umwandlungssatz von früheren 7.2 Prozent auf nun 6.8 Prozent reduziert, gewährt Profond damit weiterhin einen überdurchschnittlichen Satz. Einige Kassen reduzieren derzeit die Umwandlungssätze von bisher 6.8 auf neu 6.4 Prozent. Dies ist auch auf die Reduktion des technischen Zinssatzes zurückzuführen. Die Reduktion des technischen Zinssatzes führt nicht nur zu tieferen Umwandlungssätzen für neue Altersrenten, sondern es müssen auch die Reserven für bestehende Altersrentner erhöht werden. Deshalb besagt eine Faustregel, dass eine Senkung des technischen Zinssatzes um 0.5 Prozentpunkte den Deckungsgrad um bis zu 5 Prozent senkt.
Einige Pensionskassen gewähren auf obligatorischem und überobligatorischem Altersguthaben einen einheitlichen Umwandlungssatz von weniger als 6.8 Prozent an. Die Kassen dürfen den Mindest-Umwandlungssatz jedoch nur unterschreiten, wenn sie jederzeit sicherstellen, dass die gesetzlichen Mindestleistungen ausgerichtet werden.
Die Tendenz der zukünftigen Umwandlungssätze zeigt eine Korrektur nach unten. Für zukünftige Rentenbezüger führt dies zu tieferen Leistungen im Alter. Für die Wiederherstellung des Gleichgewichts in der beruflichen Vorsorge ist dies eine zwingende Massnahme, damit die Umverteilungen zu Lasten der aktiv Versicherten reduziert werden. Nur so kann das ursprünglich definierte Ziel des Kapitaldeckungsverfahrens in Anbetracht der aktuellen Rahmenbedingungen erreicht werden und die Stabilität der beruflichen Vorsorge wieder ins Lot gebracht werden.