Der Markt der beruflichen Vorsorge

Das Pensionskassenkapital ist für die meisten Erwerbstätigen ein wesentlicher Bestandteil ihres persönlichen Vermögens. Von Gesetzes wegen sind zurzeit Personen, deren Jahreseinkommen 21’510 Franken übersteigt, obligatorisch versichert. Die geltenden Reglemente der einzelnen Pensionskassen sind unterschiedlich ausgestaltet und gelten für sämtliche angeschlossene Firmen und deren versicherte Mitarbeitende. Zu beobachten ist, dass die Beiträge, die Leistungen und Reglemente der Kassen sehr unterschiedlich ausfallen. Weiterhin werden jedoch die Leistungen der beruflichen Vorsorge bei Anstellungsgesprächen nur selten zum Thema. Oftmals vergessen Firmen, mit dieser Trumpfkarte zu spielen, und die Stellenbewerber fragen mangels Interesse nicht danach. Bruttolohn, Ferien und Spesen haben hohes Gewicht, die berufliche Vorsorge führt nur ein Schattendasein.

Gemäss neuesten Auswertungen vom Bundesamt für Statistik gab es per Ende 2019 noch 1491 Pensionskassen. 15 Jahre davor waren es noch beinahe doppelt so viele. Vor der Einführung der obligatorischen beruflichen Vorsorge im Jahr 1985 dominierten in der Schweiz firmeneigene Stiftungen. Der Konzentrationsprozess hält weiter an. Kleine und mittelgrosse Firmenpensionskassen halten dem stetig steigenden Druck der Regulierungen und den ökonomischen Rahmenbedingungen nicht mehr stand und schliessen sich für die Durchführung der beruflichen Vorsorge Gemeinschafts- und Sammeleinrichtungen an. Arbeitgeber erhoffen sich mit dem Anschluss an eine grössere Vorsorgeeinrichtung Synergieeffekte, von welchen hauptsächlich die Versicherten profitieren können.

Im Auftrag der «SonntagsZeitung» und «Finanz und Wirtschaft» hat das Beratungsunternehmen Weibel Hess & Partner AG zum 16. Mal in Folge den Markt der frei zugänglichen Gemeinschafts- und Sammelstiftungen untersucht. Sämtliche Pensionskassen kämpfen seit Jahren mit zwei grossen Herausforderungen: Langlebigkeit und Tiefzinsniveau.

Tiefe Zinsen schmälern die Renten
Die angesparten Vorsorgegelder der Versicherten investieren die Pensionskassen mit einer langfristigen Anlagestrategie und erwünschen sich damit, einen optimalen Ertrag zu erwirtschaften. Mit dem erforderlichen Anlageertrag sind die versprochenen Leistungen für die Rentenbezüger zu finanzieren. Für die Aktivversicherten dient der Zins als dritter Beitragszahler beachtlich zur Bildung des Endalterskapitals bei. Der Mindestzinssatz für Guthaben der beruflichen Vorsorge liegt derzeit bei 1 Prozent und gilt für die obligatorischen Vorsorgegelder der Aktivversicherten. Zur Deckung der Rentenverpflichtungen kalkulieren die Pensionskassen eine zukünftige Rendite ein, den technischen Zinssatz. Aufgrund des tiefen Zinsniveaus sind die Pensionskassen gezwungen, die Renditeerwartungen den aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Die Folge: Für bestehende Rentenverpflichtungen sind höhere Rückstellungen zu bilden. Diese Fehlbeträge decken die Pensionskasse mit ihren Reserven, die alias für die Verzinsung der Altersguthaben der Aktivversicherten vorgesehen sind. Diese Querfinanzierung, auch Umverteilung genannt, gefährdet das Kapitaldeckungsverfahren der 2. Säule. Die steigende Lebenserwartung und dadurch längere Phase der Rentenzahlungen fordern die Pensionskassen. Das berufliche Vorsorgegesetz (BVG) lässt jedoch keine Senkung der Auszahlungen zu, und die Lücke wächst weiter. Weder laufende noch neue Renten dürfen unter die gesetzlich vorgegebenen Leistungen fallen. Die Zeche bezahlen die Aktivversicherten, welche aufgrund von Querfinanzierungen auf den dritten Beitragszahler verzichten müssen. Die dringend erforderlichen Reformen fanden in den vergangenen Jahren keinen Anklang. Das Schweizer Stimmvolk hat die vorgeschlagenen Gesetzesanpassungen versenkt. Für die Pensionskassen spitzt sich die Lage zu. Werden die Rentenversprechen nicht nächstens den Rahmenbedingungen angepasst, droht Schiffbruch. Viele Pensionskassen sind bei Aufnahme von Neukunden bereits sehr selektiv. Firmen mit vielen älteren Arbeitnehmenden, laufenden Rentenverpflichtungen oder mit BVG-Minimalplänen sind nicht gewünschte Neukunden und erhalten oftmals kein Angebot. Die Rosinenpickerei zeichnet sich vermehrt auch im Sozialversicherungszweig Berufliche Vorsorge ab.

Die Bedeutung der Gemeinschafts- und Sammeleinrichtungen
Grosse Unternehmen haben firmeneigene Pensionskassen. Mitarbeitende von öffentlichen Verwaltungen sind gewöhnlich bei kantonalen oder anderen öffentlich-rechtlichen Pensionskassen versichert. Kleine und mittelgrosse Firmen schliessen sich für die Durchführung der beruflichen Vorsorge Gemeinschafts- und Sammeleinrichtungen an. Derzeit bieten noch fünf Lebensversicherer eine Vollversicherung an: Allianz Suisse, Basler, Helvetia, Pax und Swiss Life. Hauptvorteil dieser Lösung ist die volle Kapitalgarantie der Vorsorgegelder. Die guten Anlageergebnisse der letzten Jahre haben das Risiko einer Unterdeckung und die damit verbundenen finanziellen Folgen etwas in Vergessenheit gebracht. Vollversicherungen haben eher an Marktanteilen verloren. Fast alle Lebensversicherer, die eine Vollversicherung anbieten, haben in den vergangenen Jahren zusätzlich eine teilautonome Sammelstiftung gegründet. Vor Kurzem hat PAX ein neues Modell eingeführt, bei welchem die Kunden von einer 50/50-Lösung profitieren. Die Hälfte der Vorsorgegelder wird als Vollversicherung geführt, die restlichen Gelder werden ohne Kapitalschutz investiert. Für ihre Versicherten ist dies sozusagen eine Mischform der Vollversicherung und teilautonomen Stiftungen.

Bei den klassischen Gemeinschafts- und Sammelstiftungen unterscheiden sich die Angebote hinsichtlich Kapitalanlage, Verzinsung, Umwandlungssätze und vieler weiterer Bereiche stark. Nebst unabhängigen Vorsorgeanbietern gibt es Lebensversicherer und Branchenverbände, welche ihren Kunden ein Angebot für die Durchführung der beruflichen Vorsorge anbieten. Seltener sind Risiko-Sparkassenmodelle wie beispielsweise GEMINI oder Swisscanto Flex. Ihre angeschlossenen Firmen bestimmen bei der Anlagestrategie mit. Anhand der Reserven und Anlageergebnisse kann jeder Kunde einzeln die Verzinsung der Altersguthaben festlegen. In guten Börsenjahren sind insbesondere weit überdurchschnittliche Zinsgutschriften für die Aktivversicherten erwähnenswert.

Hinsichtlich Mitbestimmung bei der beruflichen Vorsorge blühen vermehrt Kadervorsorgelösungen auf. Die versicherten Personen wählen die Anlagestrategie ihrer Vorsorgegelder selber. Hierbei handelt es sich meist um reine Kapitalsparpläne. Die systemfremde Umverteilung zugunsten von Rentenbezügern findet nicht statt. Ob diese Individualisierung ein möglicher Grundstein für eine zukünftige freie Pensionskassenwahl ist, wird sich zeigen.