Umwandlungssätze

Es droht Schiffbruch

Der gesetzliche Mindestumwandlungssatz entspricht längst nicht mehr den heutigen Umständen. Die Pensionskassen suchen nach Auswegen.

Jung und Alt sieht in der Pensionskasse oft ein Zwangssparen für das Leben im Alter. Während dem Erwerbsleben werden die monatlichen Lohnabzüge zusammen mit den Arbeitgeberbeiträgen auf das Pensionskassenkonto überwiesen. Nach der Pensionierung richtet die Pensionskasse das angesparte Kapital oder eine lebenslange Altersrente aus. Die Berechnung der Rentenhöhe erfolgt mit dem Umwandlungssatz. Dieser berechnet aus einem Alterskapital von 500’000 Franken mit einem Umwandlungssatz von 6.00 Prozent eine lebenslange Rente von 30’000 Franken pro Jahr.

Bei Einführung der beruflichen Vorsorge im Jahr 1985 ging die Umrechnung nahezu auf. Die meisten Pensionskassen wiesen dazumal einen Umwandlungssatz von 7.2 Prozent aus. Seither wurde der Umwandlungssatz lediglich ein Mal aufgrund der steigenden Lebenserwartung und der sinkenden Zinsen reduziert.

Das angesparte Kapital während des Erwerbslebens dient für den immer längeren Rentenhorizont nicht mehr aus. Neueste Entwicklungen wie die kurzfristig höheren Sterblichkeitsraten aufgrund der Corona-Pandemie scheinen bisher noch keinen Einfluss zu tragen. Zudem drücken die anhaltend tiefen Zinsen weiterhin auf die Anlagerenditen.

Heute liegt der gesetzliche Satz bei 6.80 Prozent. Die Vorsorgewelt und die Politik sind sich grossmehrheitlich einig, dass der geltende Mindestumwandlungssatz nicht mehr den Rahmenbedingungen entspricht. Eine Reduktion ist unumgänglich, jedoch ist umstritten, welche Massnahmen die damit verbundenen Rentensenkungen abfedern sollen.

Der Mindestumwandlungssatz gilt nur für das gesetzliche Altersguthaben. Im Überobligatorium können die Pensionskassen den Umwandlungssatz frei bestimmen. Die Sammelstiftungen der Lebensversicherer haben bereits bei Einführung des beruflichen Vorsorgegesetzes im Jahr 1985 ein Splitmodell angewendet. Bei Pensionierungen wird das Altersguthaben in obligatorisches und überobligatorisches Vorsorgeguthaben aufgeteilt. Während für das obligatorische Guthaben der gesetzliche Umwandlungssatz angewendet wird, kommt für überobligatorische Guthaben ein tieferer Satz zur Anwendung.

Bei den teilautonomen Gemeinschafts- und Sammelstiftung hat sich in den vergangenen Jahren ein Trend zu einem umhüllenden Umwandlungssatz durchgesetzt. Das gesamte Altersguthaben wird unter Berücksichtigung der Mindestvorgaben mit demselben Umwandlungssatz berechnet. Heutzutage liegt bei diesen Kassen der Einheitssatz unter dem gesetzlichen Mindestumwandlungssatz. Solange bei jeder Pensionierung sichergestellt ist, dass die Rente höher ist als die Umrechnung mit dem Mindestumwandlungssatz von 6.80 Prozent, ist diese Rechnung erlaubt. Die Pensionskassen sind verpflichtet, die Vergleichsrechnung bei jeder Pensionierung durchzuführen, und haben allfällige Differenzen zu Lasten der Reserven auszugleichen.

Pensionskassen mit einem Einheitssatz haben folglich einen gewissen Spielraum. Schwer haben es Pensionskassen, deren Versicherte über kein oder nur wenig überobligatorisches Altersguthaben verfügen. Quersubventionierungen können bei diesen Rentenberechnungen vorgenommen werden. Die lebenslangen Rentenzahlungen sind von den Reserven der Kasse einzuschiessen. Eine nachhaltige Rentenfinanzierung ist daher nur möglich, wenn auch der gesetzliche Umwandlungssatz reduziert wird.

Die Folgen der zu hohen Umwandlungssätze sind heutzutage bereits bei Pensionskassenwechseln spürbar. Bei der Aufnahme von neuen Firmen achten Pensionskassen stark auf die Altersstruktur des potenziellen Neukunden sowie auf das Verhältnis des gesetzlichen und überobligatorischen Kapitals. Ein zu hoher gesetzlicher Anteil ist gerade bei älteren Mitarbeitenden ungünstig. Bei den für diese Versicherten bald anstehenden Rentenzahlungen drohen den Pensionskassen hohe Verluste. Folglich lehnen sie zunehmend eine Aufnahme von Firmen ab, wenn diese ältere Mitarbeitende beschäftigen und lediglich Vorsorgelösungen nach den gesetzlichen Mindestvorgaben anwenden.

Bei den Umwandlungssätzen der Gemeinschafts- und Sammelstiftungen ist ein Röstigraben erkennbar. Die welschen Pensionskassen wenden höhere Umwandlungssätze an als ihre Konkurrenten aus der Deutschschweiz. Copré und Patrimonia bezahlen den Versicherten weiterhin über 6 Prozent aus.

Auch bei den Sammelstiftungen der Vollversicherer sinken die Umwandlungssätze weiter. In den vergangenen Jahren wurden die Umwandlungssätze für die überobligatorischen Guthaben auf ein Niveau von rund 5 Prozent gesenkt. Ihr Splitmodell sah für die obligatorischen Altersguthaben den gesetzlichen Mindestumwandlungssatz von 6.80 Prozent vor. Doch damit ist nun Schluss. Nahezu alle Vollversicherer haben für die kommenden Jahre eine Reduktion der Umwandlungssätze auf dem obligatorischen Guthaben kommuniziert. In diesem modifizierten Splitmodell werden überobligatorische Guthaben für die Finanzierung der Mindestleistungen herangezogen. Sämtliche Vollversicherer betonen, dass die gesetzlichen Mindestleistungen in jedem Fall garantiert sind. Dies zeigt, dass eine Querfinanzierung nur möglich ist, wenn im Zeitpunkt der Pensionierung ausreichend überobligatorisches Guthaben vorhanden ist. Für angehende Pensionäre, die lediglich obligatorisches Sparkapital haben, muss die Rente nach den geltenden Mindestvorgaben berechnet und gegebenenfalls durch die Vollversicherung aufgestockt werden.

Für angehende Pensionäre ist eine verlässliche Finanzplanung für den Ruhestand schwierig, da einzelne Pensionskassen die zukünftigen Umwandlungssätze sehr kurzfristig bekannt geben. Eine Umwandlungssatzsenkung kurz vor der Pensionierung kann eine erhebliche Renteneinbusse zur Folge haben, welche in den verbleibenden Monaten bis zur Pensionierung nicht mehr ausgeglichen werden kann. Die Tabelle zeigt auf, wie die Umwandlungssätze in den kommenden Jahren sinken und wie unterschiedlich die durchschnittlichen Sätze ausfallen bei höheren obligatorischen beziehungsweise überobligatorischen Guthaben.

Aus Sicht der Vorsorgeanbieter sind es Massnahmen zur Stabilisierung der beruflichen Vorsorge. Der Politik ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, das Schweizerische Stimmvolk von einer Senkung des Mindestumwandlungssatzes zu überzeugen. Weiterhin werden grosse Summen an Renten ausbezahlt, welche nicht durch die Versicherten angespart wurden und mit den Reserven der Aktivversicherten quersubventioniert werden. Den Effekt der zu hohen Rentenzahlungen nennt man Umverteilung. Über die vergangenen Jahre hat die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge die Umverteilungen aller Pensionskassen auf durchschnittlich 5.5 Milliarden Franken pro Jahr beziffert. Dieses Geld fehlt den Pensionskassen und schmälert direkt die Verzinsung der Altersguthaben der Aktivversicherten. Das Kapitaldeckungsverfahren der beruflichen Vorsorge ist längst in Schieflage, und es droht eine harte Bruchlandung, falls die gesetzlichen Parameter nicht bald den geltenden Rahmendbedingungen angepasst werden.